Deutschland ist seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Die Kinder und Enkel der ersten Gastarbeitergeneration sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Mit der vierten Generation wächst nun eine neue Gruppe heran, die in besonderer Weise das Bild der modernen deutschen Gesellschaft prägt. Dieser Bericht beleuchtet die Lebensrealität, Herausforderungen und Chancen dieser Generation.
Herkunft und Identität
Die vierte Generation von Migranten in Deutschland umfasst die Urenkel der ersten Einwanderer, die in den 1950er- und 1960er-Jahren nach Deutschland kamen. Diese Generation ist fast vollständig in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie spricht meist fließend Deutsch, besucht deutsche Bildungseinrichtungen und bewegt sich selbstverständlich in der deutschen Gesellschaft. Gleichzeitig bewahrt ein Teil von ihnen Traditionen, Werte und Sprachen aus den Herkunftsländern ihrer Familien.
Besonders charakteristisch für diese Generation ist eine sogenannte hybride Identität. Sie fühlt sich sowohl mit Deutschland als auch mit den kulturellen Wurzeln ihrer Familien verbunden. Dieses Aufwachsen zwischen zwei Kulturen wird zunehmend nicht mehr als Widerspruch, sondern als Bereicherung betrachtet.
Bildung und soziale Mobilität
Im Vergleich zu den ersten Generationen haben die Angehörigen der vierten Generation deutlich bessere Bildungs- und Berufschancen. Sie besuchen häufiger Gymnasien, erlangen höhere Bildungsabschlüsse und absolvieren erfolgreich Ausbildungen oder Studiengänge. Viele von ihnen haben Zugang zu Berufen und gesellschaftlichen Positionen, die den früheren Generationen oft verwehrt blieben.
Dennoch existieren weiterhin Herausforderungen: Diskriminierungserfahrungen im Bildungssystem oder auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gehören für viele noch zum Alltag. Studien zeigen, dass Bewerbungen mit „fremd klingenden“ Namen schlechtere Chancen haben. Trotz dieser Hürden gelingt es vielen jungen Menschen mit Migrationshintergrund, soziale Aufstiegschancen wahrzunehmen.
Gesellschaftliche und politische Teilhabe
Die vierte Generation zeichnet sich durch ein starkes Bewusstsein für gesellschaftliche Themen aus. Viele engagieren sich aktiv in Vereinen, Initiativen und sozialen Bewegungen. Insbesondere Themen wie Antidiskriminierung, soziale Gerechtigkeit, Diversität und Klimaschutz stehen im Fokus ihres Engagements. Diese Generation fordert Gleichberechtigung und die Anerkennung von Vielfalt als festen Bestandteil der deutschen Gesellschaft ein.
Auch im politischen Bereich wird die vierte Generation zunehmend sichtbar. Immer mehr junge Menschen mit Migrationsgeschichte kandidieren für politische Ämter oder engagieren sich in Parteien, wo sie für die Interessen einer vielfältigen Gesellschaft eintreten.
Repräsentation und neue Vorbilder
Eine weitere Besonderheit der vierten Generation ist ihre zunehmende Präsenz in den Medien, der Kultur- und Kreativbranche sowie in der Wirtschaft. Junge Menschen mit Migrationsgeschichte sind erfolgreiche Journalistinnen, Künstlerinnen, Influencerinnen, Unternehmerinnen oder Wissenschaftler*innen. Sie schaffen neue Vorbilder, die zeigen, dass Herkunft und Erfolg keine Gegensätze sind.
Diese Vorbilder haben eine wichtige Funktion: Sie bauen Vorurteile ab, inspirieren jüngere Generationen und tragen zu einem modernen, vielfältigen Bild Deutschlands bei. Durch ihre Präsenz und ihren Erfolg zeigen sie, dass Vielfalt ein fester Bestandteil der Gesellschaft ist.
Umgang mit Diskriminierung und Empowerment
Trotz vieler Fortschritte bleibt Diskriminierung eine Herausforderung. Auch die vierte Generation erlebt im Alltag Benachteiligungen – sei es bei der Wohnungssuche, im Berufsleben oder im öffentlichen Raum. Der Unterschied zu früheren Generationen liegt jedoch im Umgang damit: Die vierte Generation geht Diskriminierung häufig selbstbewusst entgegen. Viele von ihnen vernetzen sich, organisieren sich in Empowerment-Gruppen und setzen sich aktiv für ihre Rechte ein.
Zwischen Erwartungen und Selbstbestimmung
Eine weitere Besonderheit der vierten Generation ist der Spagat zwischen familiären Erwartungen und eigener Selbstverwirklichung. Während die Familien oft den Wunsch haben, dass Traditionen und Werte aus dem Herkunftsland erhalten bleiben, strebt die vierte Generation nach individueller Freiheit und Selbstbestimmung. Dieser Balanceakt zwischen familiärer Verbundenheit und persönlicher Emanzipation prägt viele Biografien dieser Generation.
Die vierte Generation von Migranten in Deutschland steht für eine neue Normalität: Vielfalt gehört zur deutschen Gesellschaft. Diese Generation ist gut ausgebildet, selbstbewusst, politisch aktiv und kulturell kreativ. Sie zeigt, dass eine mehrkulturelle Identität eine Stärke und keine Schwäche ist. Gleichzeitig verdeutlichen die weiterhin bestehenden Herausforderungen, dass Integration und Chancengleichheit fortlaufende Aufgaben bleiben. Die vierte Generation trägt maßgeblich dazu bei, das Bild einer offenen, vielfältigen und gerechten Gesellschaft in Deutschland zu prägen.
Letztendlich möchte ich einen jungen Mann als Vorbild für die jetzige Generation nehmen, der es geschafft hat sein Leben in Deutschland zu verankern.

Stolz auf den Meisterbrief:
Emre-Can Serce ist neuer Dachdeckermeister
[Lüdenscheid],– Nach jahrelanger harter Arbeit und intensiver Ausbildung hat
Emre-Can aus Lüdenscheid es geschafft: Er ist nun offiziell Dachdeckermeister. Für den 26 Jährigen ist dies nicht nur der Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn, sondern auch ein großer persönlicher Erfolg.
„Es war schon immer mein Traum, eines Tages meinen Meister zu machen“, erzählt Emre-Can, der bereits mit 18 Jahren seine Ausbildung zum Dachdecker begann. Nach mehreren Jahren Berufserfahrung entschied er sich schließlich für die Meisterschule – und das trotz der großen Herausforderungen, die das Lernen neben der Arbeit mit sich brachte.
„Es war keine einfache Zeit“, gibt er zu. „Neben der Arbeit auf den Baustellen abends noch für die Prüfungen zu lernen, war oft hart. Aber ich wollte unbedingt diesen Titel erlangen und meinen eigenen Betrieb leiten.“
Die Entscheidung, den Meisterbrief zu machen, sei auch mit Blick auf die Zukunft gefallen. „Als Meister hat man einfach mehr Möglichkeiten – nicht nur, weil man nun ausbilden darf, sondern auch, weil man mehr Verantwortung übernehmen kann.“Emre-Can plant, in den nächsten Jahren sein eigenes Dachdeckerunternehmen in Essen zu gründen und so auch junge Auszubildende zu fördern.
Handwerk mit Leidenschaft
Seit seiner Ausbildung hat Emre-Can an unzähligen Dächern gearbeitet, darunter viele historische Gebäude in der Region. „Es ist ein tolles Gefühl, nach getaner Arbeit auf ein Dach zu schauen und zu wissen, dass es die nächsten Jahrzehnte Wind und Wetter standhält“, sagt er stolz.
Besonders am Herzen liegt ihm die Tradition des Dachdeckerhandwerks, aber auch die modernen Entwicklungen in der Branche, wie zum Beispiel nachhaltige und energieeffiziente Dachsysteme. „Das Handwerk entwickelt sich weiter, und es ist spannend, Teil dieser Veränderung zu sein.“
Vorbild für junge Handwerker
Mit dem Meisterbrief in der Tasche möchte Emre-Can auch ein Vorbild für junge Handwerker sein. „Ich hoffe, dass ich zeigen kann, dass man im Handwerk viel erreichen kann, wenn man dranbleibt und sich weiterbildet“, erklärt er. „Gerade in Zeiten, in denen viele Berufe im Handwerk unter Fachkräftemangel leiden, ist es wichtig, junge Menschen für diese Berufe zu begeistern.“
Die nächsten Schritte sind für Emre-Can bereits geplant: Ein eigenes Unternehmen, eventuell ein Familienbetrieb, und weiterhin mit Leidenschaft und Engagement die Dächer von Essen und Umgebung zu sichern.